Auswirkungen von Anforderungen bei Betondecken

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Link to English version: Effects of concrete floor slab requirements


Es ist fast ein Jahr her, seit wir in einem Blogbeitrag erläutert haben, wie die digitale Fabrikation die Verbreitung von statisch effizienten Betondecken fördern könnte und so einen Beitrag zur Verminderung der negativen ökologischen Auswirkungen der Bauindustrie leisten. Seitdem haben wir im Rahmen desselben Forschungsprojekts eine Studie über die Anforderungen an Betondecken durchgeführt und freuen uns, in diesem Blogbeitrag einige Ergebnisse daraus vorstellen zu können. Die Studie wurde auf dem fib PhD-Symposium 2024 in Budapest vorgestellt (ein Blogbeitrag zu dieser Konferenz befindet sich hier) und mit einer “special mention” ausgezeichnet. Weitere Details finden Sie im Konferenzbeitrag mit dem Titel „Correlations of requirements and performance metrics for concrete floor slabs“ von Rebecca Ammann (der Autorin dieses Blogposts), Dr. Karel Thoma, Prof. Dr. Jaime Mata-Falcón und Prof. Dr. Walter Kaufmann. 

In akademischen Arbeiten zu statisch effizienten Betondecken werden oft Einsparpotentiale ausgewiesen, bei welchen es fraglich ist, ob diese in realen Anwendungen erzielt werden können: Einerseits werden in den meisten Studien idealisierte Grundrisse betrachtet, welche nur bedingt repräsentativ für reale Projekte sind. Andererseits werden Anforderungen, welche in der Praxis häufig massgebend sind (zum Beispiel bezüglich Brandschutz oder Schallschutz) in akademischen Arbeiten oft vernachlässigt. Solche Anforderungen können nicht nur für die Entwicklung und die Untersuchung von neuen Deckensystemen entscheidend sein (was ein Ziel dieses Forschungsprojekts ist), sondern auch die Effizienz von konventionellen Betondecken einschränken. Daher sehen wir es als wichtig an, die Auswirkungen dieser Anforderungen bei Betondecken systematisch zu untersuchen.

Da es zahlreiche Anforderungen gibt und die Auswirkungen einer Anforderung stark vom betrachteten Beispiel abhängen, haben wir hierfür eine Datengenerierungspipeline entwickelt. Mit dieser Pipeline können die Auswirkungen verschiedener Anforderungen schnell, automatisiert und objektiv für eine Vielzahl von Beispielen bewertet werden. Eine schematische Darstellung der Datengenerierungspipeline, die in Python mit einer Schnittstelle zur Software RFEM 6 implementiert wurde, ist in Abbildung 1 zu sehen: Die Eingabedaten beinhalten Angaben zur Geometrie der Betondecke, den Lasten, den Materialeigenschaften und den zu berücksichtigenden Anforderungen. Für jeden Satz von Eingabedaten wird eine Finite-Elemente-Analyse (FE-Analyse) durchgeführt. Basierend auf den FE-Ergebnissen wird dann iterativ ein Bewehrungslayout entwickelt. Sobald ein Bewehrungslayout gefunden wurde, welches konstruierbar ist und mit welchem alle notwendigen Tragsicherheitsnachweise erfüllt werden, werden die entsprechenden Kennzahlen berechnet und die Anforderungen überprüft. 

Abbildung 1: Schematische Darstellung der Datengenerierungspipeline für Betondecken.

Diese Datengenerierungspipeline haben wir auf ein einfaches Beispiel mit einem quadratischen Grundriss und zwei Deckensystemen (Flach- und Rippendecke), wie in Abbildung 2 dargestellt, angewendet. 

Abbildung 2: Fallbeispiel mit quadratischem Grundriss: (a) Grundriss; (b) Flachdecke; (c) Rippendecke

Um den Rahmen dieses Blogbeitrags nicht zu sprengen, werden im Folgenden nur die Ergebnisse bezüglich der Beschränkung der zulässigen Durchbiegungen w (Gebrauchstauglichkeit) gezeigt. Weitere Resultate sind im oben erwähnten Konferenzbeitrag zu finden.

Da die Geometrie der Betondecke Teil der Eingabedaten für die Datengenerierungspipeline ist und die optimale Geometrie nicht im Voraus bekannt ist, wurden zahlreiche mögliche Geometriekonfigurationen analysiert. In Abbildung 3 sind die Kennzahlen (relative Kosten und Treibhauspotenzial GWP) aller Konfigurationen, für welche eine Lösung gefunden wurde, für eine Spannweite L von (a) 5 m und (b) 8 m dargestellt. Die minimalen Kosten und das minimale GWP für verschiedene Spannweiten und verschiedene zulässige Durchbiegungen sind in Abbildung 3 (c) bzw. (d) dargestellt.

Abbildung 3: Auswirkungen der Beschränkung von zulässigen Durchbiegung w (Gebrauchstauglichkeitsanforderung) für eine Spannweite von (a) = 5 m; (b) L = 8 m zusammen mit (c) minimalen Kosten und (d) minimalem GWP pro Nutzfläche für verschiedene Spannweiten und zulässige Durchbiegungen.

Bei Flachdecken (blau dargestellt) führt die Begrenzung der zulässigen Durchbiegungen w zu einem erheblichen Anstieg des GWP und – in geringerem Masse – der Kosten, insbesondere bei grösseren Spannweiten (Vergleich der hellblauen Linie mit der dunkelblauen Linie für eine bestimmte Spannweite). Im Gegensatz dazu ist bei Rippendecken (in rosa dargestellt) der Kostenanstieg aufgrund der Begrenzung der zulässigen Durchbiegungen (Vergleich der hellrosa Linie mit der dunkelrosa Linie für eine gegebene Spannweite) bedeutender als der entsprechende Anstieg des GWP. 

Aufgrund der sehr vereinfachten Fallstudie sind die gezeigten Werte nur begrenzt aussagekräftig. Jedoch konnten wir zeigen, dass mit der Datengenerierungspipeline die signifikanten Auswirkungen von Anforderungen wie der Gebrauchstauglichkeit auf Kosten und GWP beziffert werden können. In einer Folgestudie wird diese Pipeline nun auf reale Projekte angewandt, zu welchen uns Angaben von einem Industriepartner zur Verfügung gestellt werden, wobei weitere Anforderungen und Kennzahlen berücksichtigt werden sollen. Da Anforderungen im Allgemeinen in einem sehr frühen Entwurfsstadium festgelegt werden, ohne ihre Auswirkungen zu kennen, hoffen wir, mit unserer Arbeit das Bewusstsein für die enormen Auswirkungen, die diese Anforderungen haben können, zu schärfen und die Diskussion über dieses Thema zu fördern. 

Die Datengenerierungspipeline lässt sich zudem auf weitere Probleme anzuwenden, wie z. B. den Vergleich verschiedener Betondeckensysteme oder die Beurteilung der Eignung eines Systems bei verschiedenen Grundrissen – die Möglichkeiten sind schier endlos, und wir freuen uns darauf, hier zu gegebener Zeit über unsere Fortschritte zu informieren.


Rebecca Ammann