Einblick in die Deep Neural Network Direct Stiffness Methode (DNN-DSM)

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Link to English version: Introduction to the Deep Neural Network Direct Stiffness Method (DNN-DSM)


Dieser Blog-Beitrag beschreibt einige grundlegenden Schritte, die für die Herleitung der Deep Neural Network Direct Stiffness Method (DNN-DSM) erforderlich waren. Die konzeptionelle Methodenableitung ist im Wesentlichen in drei Teile gegliedert: (i) die Finite-Elemente-Simulation und die Entwicklung geeigneter Datensätze auf der Grundlage lokaler Schalenelement-Simulationen, die Instabilitäten auf Querschnittsebene abdecken; (ii) die Entwicklung neuronaler Netze, die zur Vorhersage einzelner inkrementeller Tangentensteifigkeiten geeignet sind; (iii) die Implementierung neuronalen Netze in die direkte Steifigkeitsmethode.

Die entwickelten DNN-Modelle wurden auf Datensätzen trainiert, die aus einem Pool numerischer (LBA und GMNIA) Schalen-FE-Simulationen abgeleitet wurden. Diese wurden so konzipiert, dass ausschliesslich lokales Beulen das Hauptinstabilitätsphänomen für die untersuchten rechteckigen und quadratischen (RHS und SHS) Querschnitte ist, siehe Abbildung 1.

Abbildung 1: Beispielhafte Darstellung eines RHS Profils unter Druck und Biegung mit zugehörigen Verformungen; a), b) LBA für Druck; c), d) GMNIA für Druck; e), f) GMNIA Biegung

Die hauptsächliche Verifizierungsarbeit, basierend auf einer Vielzahl experimenteller und numerischer Untersuchungen, geht auf das Hollosstab-Projekt zurück  (Link). Die abgeleiteten FE-Modelle wurden auf der Grundlage dieser Untersuchung teilweise angepasst und weiterentwickelt, um die Bedingungen für lokales Beulen zu erfüllen. Die entwickelten FE-Modelle werden wie folgt beschrieben: (i) Abaqus Typ S4R Elemente, mit einer Diskretisierung von etwa 60 Elementen in Umfangsrichtung und 50 – 100 Elementen pro Meter in Längsrichtung; (ii) Geometrien basieren auf den Normvorgaben von EN 10210-2:2006 und EN 10219-2: 2006, mit der Länge L als dem größeren Wert der Breite W oder der Höhe H(iii) Verformungen, die durch definierte Bezugspunkte am oberen und unteren Rand des Querschnitts aufgebracht werden sind verbunden durch MPC-Pin-Formulierungen; (iv) Verwendung von nichtlineare Materialmodelle für warmgewalzten (bilineares + nichtlineares Modell) und kaltgeformten Stahl (zweistufiges Ramberg-Osgood-Modell); (v) LBA-Analyse zur Ermittlung des elastischen kritischen Beulwiderstands und der Eigenform (lokale Imperfektionen); (vi) GMNIA-Simulation zur Bestimmung des realistischen Knickwiderstands. 

Abbildung 2: a) Datenextraktion aus Abaqus Simulationen, b) Überblick der ausgewählten Merkmale

526 europäische warmgewalzte und kaltgeformte RHS- und SHS-Profile, drei verschiedene Stahlsorten von normal- bis hochfest (S355, S460 und S700), sowie drei verschiedene lokale Imperfektionsamplituden (B/200, B/300 und B/400; wobei B das kleinere Maß der Profilhöhe oder -breite ist) wurden bei der Datenerstellung berücksichtigt. Insgesamt wurden 9468 GMNIA-Simulationen durchgeführt, um die Grundlage für die anschliessende Datensatzgenerierung zu schaffen.

Hierbei wurden die LBA Ergebnisse aus Abaqus verwendet, um die querschnittsabhängige elastische kritische Beullast zu extrahieren. Die Ergebnisse der GMNIA-Analysen wurden hingegen zur Bestimmung der inkrementellen Verformungs- und Rotationsschritte und der damit verbundenen Differenzialkräfte und -momente verwendet, siehe Abbildung 2 a) beispielhaft für den Lastfall Druck. Diese Werte wurden anschließend zur Berechnung der inkrementellen Tangentensteifigkeiten herangezogen, die die Grundlage für den Trainingsoutput der DNN-Modelle bilden.

Insgesamt sind im Rahmen von Voruntersuchungen 193 Einzelkombinationen für verschiedene DNN-Modelle mit der Random Search Methode getestet worden. Dieser Arbeitsablauf ist geeignet, um die allgemeinen Tendenzen innerhalb der DNN-Architektur zu erkennen. Alle Berechnungen wurden auf der Grundlage einer Train-und-Test-Philosophie durchgeführt, d.h. eine bestimmte Datenmenge wurde für das Training (80%) und eine zusätzliche unabhängige Menge für den Validierungsprozess (20%) verwendet. Das verwendete DNN-Modell besteht aus vier Schichten (27, 27, 18 und 9 Neuronen), die jeweils mit einer ReLU-Aktivierungsfunktion enden. Während des Optimierungsprozess wurde eine Lernrate von 0,0005 sowie der Adam-Optimizer verwendet.

Abbildung 3: Definition der Verformungen und Verdrehungen; a) für Druck; b) für Biegung

Die allgemeine Implementierung der DNN-DSM basiert auf der generischen Definition der direkten Steifigkeitsmethode für Balkenelemente.

Die DNN-DSM nutzt diese Implementierung zur Vorhersage einer lokalen nichtlinearen Tangentensteifigkeitsmatrix in Abhängigkeit von gegebenen Knotenverformungen oder -verdrehungen. Das neuronale Netz verwendet einige der Merkmale aus Abbildung 2 b)sowie eine absolute Verformung bzw. Verdrehung in jedem Belastungsschritt (siehe Abbildung 3 a) für Druck und b) für Biegung), um eine lokale nichtlineare Tangentensteifigkeitsmatrix vorherzusagen, wie durch die folgende Gleichung für die getrennten Fälle vorgeschlagen.

Die Implementierung des Balkenelements unterscheidet sich geringfügig von der des Fachwerkelements, indem die Balkensteifigkeitsmatrix entsprechend einer vorgegebenen mittleren Drehung φ modifiziert wird. Eine zugehörige Definition ist Abbildung 3 b) zu entnehmen. Im Rahmen der vorgestellten Methode wird eine gleiche konstante Verdrehung (in der Ebene) an beiden Enden angenommen. Dies ist unter der Annahme kleiner Elementlängen genau genug für die Approximation von Schnittkräften. 

Figure 4: Vergleich von Last-Verformungsresultaten zwischen FE-Simulationen mit Schalenmodellen und DNN-DSM Vorhersagen für Dreipunktbiegung für ein warmgewalztes SHS200x8 und ein SHS200x5 Profil mit der Stahlgüte S355; a), b) Verformten Träger bei maximaler Belastung (skaliert); c), d) Vergleich zwischen den Last-Verformungskurven

Ein exemplarischer Auszug der Ergebnisse für Dreipunktbiegung ist in Abbildung 4 für zwei warmgewalzte Profile dargestellt, ein SHS200x8 (S355) und ein SHS200x5 (S355). Weiter werden in Abbildung 4 a) und b) die Ausgangsverformungen aus Abaqus und den entsprechenden DNN-DSM-Vorhersagen dargestellt. Beide Abaqus-Modelle bilden eine lokale Beule um den bzw. im Lasteinleitungsbereich. Die DNN-DSM Modelle werden aus 8 Elemente zusammengestellt mit jeweils 2 dofs an jedem Endknoten, die die vertikale Verschiebung und Verdrehung repräsentieren. Diese Definition führt zu einer Gesamtzahl von 18 dofs für das dargestellte System. Zu beachten ist, dass das Abaqus-Modell 77298 dofs verwendet, um die nichtlinearen Last-Verformungs-Kurven aus Abbildung 4 c) und d) zu berechnen. Im Vergleich kann nun ein sehr ähnliches Ergebnis mit dem DNN-DSM-Ansatz nachgeahmt werden. Die Elemente um die Lasteinleitung herum erreichen ihre maximale querschnittsabhängige Kapazität und gehen in den Nachbeulbereich über, mit stetigem Steifigkeitsverlust und einem Gesamtabfall der Lasten. Die Abweichungen der maximalen Kräfte liegen in diesem Fall unter 3%. Für das Profil SHS200×5 liegen die Ergebnisse mit dem DNN-DSM-Ansatz 30% über den der schalenbasierten GMNIA Ergebnissen. Dies kann auf Effekte zurückgehen, die durch die DNN-DSM nicht zwangsläufig berücksichtigt werden und das Gesamtverhalten beeinflussen könnten, wie z.B. lokale Quetschungen im Bereich der Lasteinleitung oder Unterschiede in den Beullängen. Nichtsdestotrotz konnte das Gesamtsystemverhalten mit der DNN-DSM erfolgreich nachgebildet werden, wobei rechenzeitliche Vorteile gegenüber Abaqus Simulationen ersichtlich waren. Der DNN-DSM Berechnungsprozess wurde nach ca. 150 Sekunden beendet, die Abaqus-Berechnung nach ca. 240 Sekunden. Diese Zeit beinhaltet nur die eigentliche Berechnung. Die Berücksichtigung des Modellierungsaufwands zur Erstellung der LBA und GMNIA Analysen würde zu deutlich größeren Unterschieden führen.

Zusammenfassend gibt dieser Beitrag einen Einblick in die Entwicklung und Anwendung der DNN-DSM Methode, einem neuartigen Ansatz, bei dem die direkte Steifigkeitsmethode mit neuronalen Netzwerkmodellen gekoppelt wurde, um das lokale Beulverhalten schalenbasierter FE-Simulationen zu imitieren. Neben der Datenentwicklung, der Datensatzgenerierung und der Methodenimplementierung wurde ein exemplarischer Vergleich zwischen der DNN-DSM und Abaqus GMNIA Simulationen herausgearbeitet. Dieser Vergleich zeigt einerseits, dass der gesamte Last-Verformungspfad im Vor- und Nachbeulbereich reproduziert werden kann und andererseits die Möglichkeiten hinsichtlich Modellgrössenreduktion und Zeitersparnis. Falls dieser Artikel das ein oder andere Interesse geweckt hat finden sich ausführlichere Erläuterungen mit zusätzlichen Hintergrundinformationen unter der folgenden Veröffentlichung (Link, [1]).


Andreas Müller

Literatur

[1]Müller, A. Advanced Inelastic Analysis and Design of High Strength Steel Structures with Machine-Learning-Derived Predictive Methods. Doctoral Thesis (2023). ETH Zürich.