Bindeglied zwischen Hochschule und Praxis im konstruktiven Ingenieurbau

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Link to English version: Bridging university and industry in structural engineering


Sind Sie in der Praxis tätig und an neuen Entwicklungen im konstruktiven Ingenieurbau an der ETH Zürich interessiert? Schliessen Sie ein Bachelorstudium im Bauingenieurwesen ab und ziehen eine Vertiefung in Konstruktion an unserem Departement in Betracht? Oder möchten Sie nach dem Masterstudium ein Doktorat in einem unserer Forschungsgebiete in Angriff nehmen? Oder haben Sie diesen Blog aus anderen Gründen gefunden? Warum auch immer Sie diese Zeilen lesen: Willkommen im neuen Blog der Professur für Betontragwerke und Brückenbau an der ETH Zürich!

In naher Zukunft werden Sie hier Beiträge zu verschiedenen Themen finden, wie z. B. aktuelle Erkenntnisse und Publikationen, Aktivitäten in Kommissionen, laufende Versuche in unserem Labor oder Rückblicke auf Prüfungen. Ausserdem werden wir unsere Gedanken und Meinungen zu aktuellen und relevanten Themen teilen.

In diesem einleitenden Beitrag möchte ich Ihnen unsere Hauptaktivitäten vorstellen und erklären, warum wir es als notwendig erachten, diesen Blog zu starten. Tatsächlich wurde mir Letzteres erst vor kurzem klar: Als ich 2014 an die ETH Zürich zurückkehrte, nachdem ich mehr als 15 Jahre lang als Bauingenieur gearbeitet hatte, war ich sehr gut in der Praxis vernetzt. Ich hielt diese Verbindungen für selbstverständlich und hätte mir nicht im Traum vorgestellt, Social-Media-Aktivitäten zu starten, um den Austausch mit Fachleuten zu fördern. Im Laufe der letzten Jahre wurde mir jedoch zunehmend bewusst, dass meine ehemaligen Kollegen keine – oder höchstens eine sehr vage und oft falsche – Vorstellung von unseren Aktivitäten in Forschung und Lehre hatten.

Vor einiger Zeit sagte mir ein guter Freund und sehr kompetenter Bauingenieur unverblümt, dass er und die meisten Ingenieure in der Industrie keine Ahnung hätten, was “auf dem Hönggerberg” (für Nicht-ETH-Absolventen: Das ist der Ort, an dem wir uns befinden) los sei. Ich fragte dann meine Gruppenmitglieder, ob sie ähnliche Rückmeldungen von ihren in der Praxis tätigen Kollegen erhalten hätten, was sie bestätigten. Wir begannen dann, über Möglichkeiten zu diskutieren, diese Situation zu verbessern, und schliesslich wurde die Idee dieses Blogs geboren.

Aber was sind denn überhaupt diese Aktivitäten unserer Gruppe, über die wir Sie informieren wollen? Im Wesentlichen sind es drei Bereiche:
Lehre, Forschung und Dienstleistung

Persönlich betrachte ich die Lehre als meine wichtigste Aufgabe, auch wenn die akademische Reputation eines ETH-Professors in erster Linie von den Leistungen in der Forschung abhängt. Genau genommen ist die Lehre an der ETH keine Pflicht, sondern ein Vergnügen: Die Möglichkeit, begabte, motivierte junge Menschen zu unterrichten, ist ein Privileg und eine der erfüllendsten Aufgaben, die man sich vorstellen kann.

Laut der jährlichen Lehrevaluation durch die Studierenden gehören unsere Kurse zu den anspruchsvollsten des Departements, was kein Zufall ist: Ich bin davon überzeugt, dass die Studierenden lieber herausgefordert werden, als sich zu langweilen (was übrigens ebenfalls durch die Ergebnisse der Evaluation bestätigt wird). Wir bemühen uns, kritisches Denken und selbstmotiviertes Lernen zu fördern, was in der heutigen Zeit, wo Kreditpunkte die Währung der höheren Bildung sind, nicht immer einfach ist.

Ausführlichere Informationen darüber, wie wir dies zu erreichen versuchen, und über unseren Unterricht im Allgemeinen, folgen in den nächsten Beiträgen. Wenn Sie in der Zwischenzeit neugierig geworden sind, laden wir Sie ein, einen Blick auf unsere E-Learning-Plattform https://concrete.ethz.ch/ zu werfen. Vielleicht möchten Sie sogar die interaktiven Apps https://concrete.ethz.ch/applikationen/ ausprobieren?

Wie Sie angesichts meines Werdegangs in der Praxis schon vermutet haben könnten, konzentriert sich unsere Forschung auf Fragestellungen, die wir als wichtig und praxisrelevant erachten. Sie umfasst innovative Themen, aber auch das, was ein namhafter Kollege einmal als “Brot-und-Butter-Forschung” bezeichnete: Untersuchungen zum Verhalten von konventionellen Betontragwerken.

Dies ist notwendig, da das mechanische Verhalten von Betontragwerken bei weitem noch nicht vollständig geklärt ist – was angesichts der Unmenge an existierenden Betonbauwerken erstaunen mag. Selbstverständlich sind wir heute in der Lage, sichere und effiziente Betontragwerke zu konstruieren, insbesondere auf der Grundlage des unteren Grenzwertsatzes der Plastizitätstheorie (mehr dazu in meinem nächsten Blogbeitrag).

Bei der Beurteilung der Tragsicherheit bestehender Bauwerke, die vor Jahrzehnten anhand von semi-empirischen Bemessungsregeln dimensioniert und bewehrt wurden, sind unsere modernen Bemessungsmethoden jedoch selten zielführend, da solche Bauwerke deren Voraussetzungen nicht erfüllen.

Darüber hinaus sind bestehende Bauwerke oft kombiniert beansprucht, was die Beurteilung ihrer tatsächlichen Tragfähigkeit sehr anspruchsvoll macht. In der Folge weisen viele bestehende Betontragwerke rechnerische Tragsicherheitsdefizite auf.

Eine Vielzahl von Bauwerken zu verstärken oder gar zu ersetzen, ohne sicher zu sein, dass dies tatsächlich notwendig ist, ist aber gewiss nicht nachhaltig. Daher ist ein verbessertes Verständnis des mechanischen Verhaltens von Betontragwerken unerlässlich, um den ökologischen Fussabdruck der Bauindustrie zu reduzieren. Ehrlich gesagt finde ich dies sogar dringender als die Entwicklung innovativer, nachhaltiger Lösungen.

Nichtsdestotrotz beschäftigen wir uns auch mit Letzterem. In beiden Fällen kombinieren wir mechanische Modelle mit grossmassstäblichen Versuchen und numerischen Analysen. Nähere Angaben zu unseren Forschungsgebieten und -methoden finden Sie auf unserer Website https://kaufmann.ibk.ethz.ch/de/. Sie werden zukünftig ein Hauptbestandteil dieses Blogs sein.

Last but not least erbringen wir auch Dienstleistungen für Berufspraxis und Gesellschaft. Diese Aktivitäten umfassen einerseits anspruchsvolle Gutachten – mit denen wir die Experten aus der Praxis nicht konkurrenzieren, sondern unterstützen – und andererseits die aktive Mitarbeit in Berufsverbänden, Expertengremien und Normkommissionen. Damit wollen wir zur Lösung der Herausforderungen unserer Gesellschaft beitragen. Auch diese Aktivitäten werden Gegenstand zukünftiger Beiträge sein.

Vielmehr wollen wir eine Plattform für den Austausch und die Diskussion im konstruktiven Ingenieurbau schaffen.

Wie gesagt besteht das Ziel dieses Blogs nicht nur darin, über unsere Aktivitäten zu informieren. Vielmehr wollen wir eine Plattform für den Austausch und die Diskussion im konstruktiven Ingenieurbau schaffen. Aus diesem Grund fordern wir Sie auf, uns Ihr Feedback zukommen zu lassen, egal ob positiv oder negativ. Wir beabsichtigen auch Gastbeiträge in diesen Blog aufzunehmen, und laden Sie ein, uns zu kontaktieren wenn Sie daran interessiert sind einen Beitrag zu verfassen.

Wir hoffen, dass Ihnen die Idee dieses Blogs gefällt und Sie uns zukünftig regelmässig besuchen werden. Bitte teilen Sie uns Ihre Meinungen und Wünsche als Kommentar mit.

Walter Kaufmann